Für Leserinnen und Leser dieses Blogs ist es keine neue Information, dass Antibiotika zielgerichtet, aber sparsam eingesetzt werden sollten. Doch vielleicht ist nicht jedem klar, dass auch einige Impfungen zur Vermeidung von Antibiotika beitragen – und zwar nicht nur Impfungen gegen bakterielle Infektionen (wie zum Beispiel Pneumokokken), sondern auch Impfungen gegen virale Erkrankungen der Atemwege wie Influenza. Aber wo ist da der Zusammenhang?
Die bakterielle Superinfektion
Für den Laien klingt „Superinfektion“ nach einer besonders gefährlichen Infektion – und das kann sie auch sein. In der Medizin wird der Begriff jedoch in erster Linie für eine zusätzliche Infektion mit einem anderen Erreger, eine Sekundärinfektion, verwendet. Die ursprüngliche (primäre) Erkrankung kann ein Virusinfekt, in einigen Fällen aber auch eine nichtinfektiöse chronische Erkrankung sein. Das wohl klassischste Beispiel ist eine bakterielle Superinfektion nach einer virusbedingten Bronchitis, deren Folge dann eine bakterielle Lungenentzündung sein kann.
Um eine Superinfektion gar nicht erst entstehen zu lassen, werden bei viralen Infektionen daher häufig bereits Antibiotika eingesetzt, wenn noch keinerlei bakteriell bedingten Beschwerden bzw. Krankheiten vorliegen.
Der schmale Grat zwischen Sinnhaftigkeit und Risiko der prophylaktischen Antibiotikagabe
Bei dieser Prophylaxe gegen Superinfektionen muss immer wieder zwischen einer sinnvollen Vorsichtsmaßnahme und dem Risiko abgewogen werden, das durch die Förderung der Antibiotikaresistenz entsteht. Dabei ist die Grenze fließend und verschwommen. Es geht nicht allein um die allgemeine Resistenzbildung, sondern bezieht sich auch auf jeden einzelnen Anwendungsfall. Denn in einigen Fällen kann die prophylaktische Therapie mit Antibiotika eine bakterielle Superinfektion sogar begünstigen, da sie eine Selektionsdruck auf die Bakterien ausübt. Daher wird immer häufiger empfohlen, bei einer akuten Virusbronchitis Antibiotika keinesfalls prophylaktische zu geben.
Anders sieht es jedoch bei einer chronischen Bronchitis aus: Hier sollte jede deutliche Verschlechterung (Exazerbation) frühzeitig mit Antibiotika behandelt werden, um der fortschreitenden Zerstörung des Lungengewebes entgegenzuwirken. Denn Infektionen verschlimmern den chronischen Krankheitsverlauf.
Viele Superinfektionen sind durch eine Impfung vermeidbar
Die bakterielle Superinfektion kann entstehen, wenn Lunge und Immunsystem durch einen bronchialen Virusinfekt geschwächt sind. In aller Regel müssen dann Antibiotika gegeben werden. Bei COVID scheinen bakterielle Superinfektionen nach aktuellem Forschungsstand zwar seltener aufzutreten, es gibt aber dokumentierte Fälle. Und vor allem gibt es noch immer die Sorge vor bakteriellen Superinfektionen in den Kliniken, die dazu führt, dass auch bei einer Corona-Infektion Antibiotika häufig prophylaktisch eingesetzt werden.
Daher gilt: Schutzimpfungen gegen virusbedingte Atemwegsinfekte helfen, Antibiotikaresistenzen zu vermeiden. Denn eine Impfung gegen die primäre, virale Erkrankung unterbricht die Kette ganz am Anfang: Ohne virusbedingte Bronchitis keine Superinfektion – ohne Superinfektion kein Einsatz von Antibiotika – ohne Gabe von Antibiotika keine Ausbildung von Resistenzen.