Das klingt dramatisch und überzogen, ist jedoch die Wahrheit. Auf deutschen Intensivstationen stehen hochmoderne blinkende Geräte, wir verpflanzen Organe, führen Operationen am offenen Herz und sogar am Gehirn durch, entfernen Tumorgewebe und entzündete Blinddärme. All dies gelingt nur, weil die Patientinnen und Patienten in vielen Fällen rund um die Operationen durch Antibiotika vor Infektionen durch Bakterien geschützt werden bzw. bei Infektionen frühzeitig erfolgreich behandelt werden können. Haben wir keine wirksamen Antibiotika mehr, werden zwar selbst große Operationen technisch noch immer erfolgreich sein – aber viele der Operierten würden kurz danach sterben, ohne dass die Medizin es verhindern könnte. Dies liegt vor allem an drei Gründen:
Krankheitserreger können bei einer Operation tief in den Körper eindringen
Haut und Schleimhäute stellen die erste Schutzlinie gegen Krankheitserreger dar. Bei Operationen wird die Hautbarriere jedoch durchschnitten. Dadurch können Krankheitserreger ohne Widerstand tief in den Körper eindringen und finden dort optimale Bedingungen zur Vermehrung. Selbst bei den heutigen Hygienestandards kann die vollständige Erregerfreiheit in OPs nie absolut sichergestellt werden. Daher dienen Antibiotika, die einmalig kurz vor der Operation gegeben werden, als zusätzlicher Schutzwall, um Bakterien rasch abzufangen, bevor sie größeren Schaden anrichten können. Auch in der Heilungsphase bleibt die Hautbarriere durchlässiger – Wundinfektionen können die Folge sein.
Dazu kommt die Gefahr, die durch die intensivmedizinische Behandlung entsteht, zum Beispiel die Verwendung von Gefäßkathetern, die in den großen Venen direkt kurz vor dem Herzen platziert werden oder eine Beatmung: Durch den Tubus werden die Schleimhäute gereizt und durch die Belastung, die eine Beatmung selbst mit sich bringt, wird auch das Lungengewebe anfälliger für bakterielle Infektionen.
Das Immunsystem kämpft nach einer OP an vielen Fronten
Ein weiterer Faktor ist, dass das Immunsystem auch an der Heilung von Gewebeschäden beteiligt ist – nach einer Operation ist es daher zusätzlich mit den Operationswunden und mit der Wiederherstellung von Gefäßverbindungen beschäftigt. Und wie jeder Organismus oder jedes System kommt auch das Immunsystem an eine Belastungsgrenze: Es kann nicht unendlich viele Aufgaben gleichzeitig bewältigen und ist durch die hohen Anforderungen dann entsprechend geschwächt.
Operationen verursachen Stress
Zu guter Letzt stellt eine Operation für den Körper eine Stress-Situation dar. Du bekommst durch die Narkose zwar nichts mit und spürst auch keine Schmerzen, doch in Deinem Körper laufen weiterhin Reaktionen ab, die den Eingriff als Gefahr erkennen. Resultat ist die Auslösung einer Stress-Reaktion. Auch sie schwächt das Immunsystem.
Operation gelungen, Patient tot
Durch diese drei Faktoren wird das Immunsystem nach einer OP massiv gefordert und selbst vergleichsweise harmlose Krankheitserreger können zu einer massiven Bedrohung werden. Seit Erfindung der Antibiotika können Patientinnen und Patienten um eine OP herum wirksam vor bakteriellen Infektionen geschützt werden bzw. rasch effektiv behandelt werden. Das Immunsystem wird entlastet und kann sich auf die Heilung der Gewebeschäden konzentrieren.
Fehlen wirksame Antibiotika, können selbst kleine Routineeingriffe zu einer tödlich verlaufenden bakteriellen Infektion führen. Schon heute gibt es vor allem in Krankenhäusern viele Erreger, die nicht mehr auf Antibiotika ansprechen. Das Phänomen ist bekannt – doch die generellen Folgen werden häufig nicht zu Ende gedacht: Verlieren wir die Antibiotika, verlieren wir die moderne Intensivmedizin und mit ihr jährlich hunderttausende Menschenleben.
Dr. Lutz Bader
Hallo Visuelle Werte, Lieber Herr Buntemeyer,
Ihnen allen noch meine besten Wünsche zum neuen Jahr, weiterhin viel Erfolg mit dem Blog und dem ganzen Projekt und vor allem: bleiben Sie gesund!
Die Beiträge gefallen mir sehr gut – hoffentlich finden Sie auch ausreichend Aufmerksamkeit im Netz.
Im Artikel vom 20.1. haben Sie die Bedeutung wirksamer AB für unsere Hochleistungsmedizin prima dargestellt. Wichtig in diesem Kontext ist m.E. , dass die User auch mitnehmen, das Risiko für nosokomiale Infektionen geht insbesondere von der körpereigenen Bakterienflora aus, die bei OP oder durch ZVK, invasive Beatmung etc. verlagert werden kann. Nur ein kleiner Teil der NI stammt aus der Krankenhausumgebung oder vom Personal und ist somit primär vermeidbar. Vielleicht können Sie das in einem Folgebeitrag zum Ausdruck bringen. So können auch unberechtigte Ängste vor dem „Krankenhaus“ oder der „Medizin“ abgebaut werden. Bitte auch grundsätzlich von der „Entdeckung“ der AB sprechen, weniger von der „Erfindung“.
Herzl. Gruß, Ihr Lutz Bader
admin
Lieber Dr. Bader,
haben Sie herzlichen Dank für Ihren hilfreichen Input, den wir gern aufgreifen! Wir wünschen Ihnen auch alles Gute auf Ihrem weiteren Weg und hoffen Sie erfreuen sich bester Gesundheit!