Der Frühling ist da! Die Zecken gleich mit. Und mit ihnen auch die Gefahr, sich eine Infektionskrankheit einzufangen. In Deutschland sind dies vor allem die Lyme-Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Doch wie groß ist die Gefahr tatsächlich und was ist bei einem Zeckenstich zu tun?
Wie weit kann eine Zecke eigentlich springen?
Um zunächst einmal damit aufzuräumen: Zecken beißen nicht, sie stechen. Zumindest aus wissenschaftlicher Sicht – auch wenn im Volksmund oft von einem Zeckenbiss die Rede ist. Außerdem lassen sie sich nicht von Bäumen fallen und können auch nicht springen. Stattdessen klettern sie an Grashalmen, Sträuchern oder herumliegendem Totholz bis auf maximal einen Meter hoch und warten dort, bis sie von einem vorbeilaufenden Tier oder Mensch abgestreift werden.
Die häufigste in Deutschland vorkommende Zeckenart ist der gemeine Holzbock, Ixodes ricinus. Sie kann Borrelien, FSME-Viren und Anaplasmen übertragen. Ixodes-Zecken werden ab einer Temperatur von etwa 8° C aktiv und kommen nicht nur in der freien Natur, sondern auch in Gärten und Stadtparks vor.
Wie hoch ist das Infektionsrisiko nach einem Zeckenstich?
Selbst in FSME-Risikogebieten tragen nur etwa 0,1 % bis 5 % der Zecken das FSME-Virus – und selbst nach dem Stich einer infizierten Zecke erkrankt man nicht unbedingt. Und selbst wenn, verlaufen viele FSME-Infektionen ohne oder mit nur milden Symptomen. Um es an dieser Stelle noch einmal zu betonen: FSME ist eine Virusinfektion, was bedeutet, dass Antibiotika hier nicht wirken. Es gibt aber seit geraumer Zeit eine erprobte sicher wirksame und gut verträgliche Impfung. Schauen wir uns also nur die Bakterien-Infektionen an:
Wie viele Zecken mit Borrelien infiziert sind, schwankt je nach Landstrich extrem stark. Laut RKI beträgt sie maximal 30 %. Im Schnitt wurde bei etwa 2,6 % bis 5,6 % der Zeckenstich-Opfer in Deutschland und der Schweiz eine Borrelien-Infektion nachgewiesen – jedoch zeigen nur etwa 0,3 % bis 1,4 % Krankheitssymptome. Vermutlich sind es jedoch sogar noch weniger, da vor allem Stiche von sehr kleinen Zecken mit Sicherheit unbemerkt bleiben und gar nicht erst in die Statistik einfließen.
Muss man mit einem Zeckenstich zum Arzt und sofort ein Antibiotikum einnehmen?
Nein. Eine Zecke muss nicht vom Arzt gezogen werden. Wichtig ist, sie so früh wie möglich zu ziehen, die Zecke möglichst vollständig zu entfernen und keinen Druck auf den Zeckenkörper auszuüben, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Außerdem sollte man keinesfalls Öl oder Klebstoff auf die Zecke träufeln. Eine gute Anleitung zum Entfernen von Zecken findest Du z.B. auf der Internetseite des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
Ein Zeckenstich ohne Symptome einer Borreliose ist sicher noch kein Grund für eine Antibiotikatherapie. Erst bei einem begründeten Borreliose-Verdacht solltest Du zum Arzt und erst wenn er den Verdacht bestätigt, sollte ein Antibiotikum eingenommen werden. Zu den typischen Erst-Symptomen gehört die sogenannte Wanderröte, eine meist ringförmige, allmählich größer werdende Hautrötung um die Einstichstelle (Erythema migrans), die manchmal erst einige Wochen nach dem Stich auftritt.
Sind Breitbandantibiotika die einzige Behandlungsoption gegen eine Borreliose?
Bislang gibt es kein Antibiotikum, das gezielt gegen Borrelien wirkt. Daher kommen bei einer Borreliose in erster Linie Breitbandantibiotika wie Doxycyclin oder Amoxicillin zum Einsatz, die gegen viele Bakterien, die keine Resistenzen aufweisen, wirken – also auch z.B. gegen die „guten“ Bakterien im Darm. So kann das Darm-Mikrobiom aus dem Gleichgewicht geraten – mit den entsprechenden Nebenwirkungen. Andererseits wirken beide Substanzen sehr zuverlässig gegen Borreliose; das Verschwinden der Rötung ist ein Zeichen für die Beseitigung der Bakterien.
Eine Alternative könnte Hygromycin A werden, eine antimikrobielle Substanz, die bereits 1953 im Boden entdeckt wurde, sich aber gegenüber den meisten Bakterien als zu schwach wirksam erwies und darum wieder aus dem Bewusstsein der Wissenschaft verschwand. Nun sind Borrelien jedoch keine 0815-Bakterien, sondern sogenannte Spirochäten: sie sind spiralförmig. Und genau gegen Spirochäten wirkt Hygromycin A ausgezeichnet. Ein Wissenschaftler-Team aus Boston stieß beim Screening von Bodenproben auf die vergessene Substanz. Erste Tests an Mäusen sind zumindest bei amerikanischen Borrelien-Stämmen sehr vielversprechend, jedoch ist noch nicht untersucht, ob Hygromycin A auch gegen die in Deutschland vorherrschenden Borrelien-Arten wirksam ist.
Impfung gegen Borreliose?
Aktuell wird in Yale an einer Impfung geforscht – und zwar streng genommen gegen den Zeckenstich selbst und nicht gegen einen bestimmten Erreger. Der Impfstoff baut auf die mRNA-Technologie, die auch bei den ersten Corona-Impfstoffen verwendet wurde, und richtet sich gegen Proteine aus dem Speichel der Zecken. Dadurch soll er die Zecken beim Blutsaugen stören und eine Infektion auf diesem Weg verhindern. Ob und wann der Impfstoff verfügbar sein wird, steht jedoch noch in den Sternen.
Der beste Schutz gegen Borreliose…
…bleibt damit vorerst, das Risiko eines Zeckenstichs so gut es geht zu minimieren. Überall, wo Zecken sich aufhalten, solltest Du feste Schuhe und eine lange Hose tragen, u.U. auch ein langärmeliges Oberteil. Läufst Du durch hohes Gras, solltest Du auch die Hose in die Socken stecken. Sieht zwar albern aus, zwingt Zecken aber dazu, erst mal am Hosenbein nach oben zu klettern. Da findet man sie dann relativ leicht. Nach einem Aufenthalt in der freien Natur solltest Du Dich und Deine Kleidung nach Zecken absuchen. Zecken bevorzugen Körperstellen, an denen sie nicht schnell gefunden werden wie zum Beispiel Haaransatz, Ohren, Hals, Achseln, Ellenbeuge, Bauchnabel, Genitalbereich oder Kniekehle.
Zusätzlich können sogenannte Repellentien auf Haut oder Kleidung aufgebracht werden. Das sind Mittel, die Zecken fernhalten sollen. Aber Vorsicht: Nicht alle sind ausreichend wirksam und wenn doch, meist nicht lang. Außerdem solltest Du schauen, wie Deine Haut auf die Substanzen reagiert.