Biofilm und Antibiotika

Biofilm und Antibiotika – gemeinsam stark gilt auch für Bakterien

Ein einzelnes Bakterium ist unsichtbar und unfühlbar. Doch bleiben Bakterien nur selten allein. Ihr Drang zur Vermehrung lässt aus einem einzelnen Bakterium meist recht schnell eine sichtbare Kolonie werden. Und da Bakterien überall sind, bleibt es meist auch nicht bei einer einzigen Art. Über kurz oder lang entsteht unter (für die Bakterien) günstigen Bedingungen ein sogenannter Biofilm, der auch den Einsatz von Antibiotika erschwert. Dabei handelt es sich um eine dünne, aber robuste schleimige Schicht, die sich bevorzugt an festen Oberflächen oder an Grenzflächen bildet. Meist lebt eine ganze Gemeinschaft von Bakterien und anderen Mikroorganismen in einem Biofilm. Eine gemischte WG sozusagen.

Wer lebt im Biofilm? Und warum?

Unter dem Begriff Biofilm versteht man alle Lebensgemeinschaften von Mikroorganismen, die in eine Schleimschicht eingebunden sind, die diese Gemeinschaft produziert. Die meisten Biofilme bilden sich im wässrigen Milieu bzw. in Bereichen, in denen viel Feuchtigkeit ist. Der wohl bekannteste ist die Plaque – der Belag auf den Zähnen. In einem Biofilm lebt eine Mischpopulationen von Mikroorganismen. Neben Bakterien können je nach Lebensraum z.B. auch Viren, Algen, Pilze, Protozoen oder sogar mehrzellige Orgiasmen (Bsp: Rädertierchen, Milben oder Insektenlarven) in einem Biofilm organisiert sein.

Im Biofilm lebt es sich so anders, dass die Bakterien sich von ihren frei lebenden Artgenossen unterscheiden: Sie verlieren z.B. ihre Geißeln und verändern ihren Stoffwechsel. Sie passen sich an – das beinhaltet auch die Aktivierung anderer Gene.

Das Leben im Biofilm bietet einige Vorteile: Die Schleim-Matrix bietet Schutz und Stabilität. Man wird nicht so schnell abgeschwemmt, Enzyme und Nährstoffe gehen nicht so leicht verloren. Zudem bietet der Schleim Schutz vor Schadstoffen, UV-Strahlung, Veränderungen der Temperatur oder des pH-Wertes und einer Reihe weiterer Faktoren. Außerdem können die Bakterien synergetische Beziehungen eingehen. Kurzum: Aus Sicht von Mikroorganismen rockt das Leben im Schleim des Biofilms!

Das Problem mit dem Biofilm: Antibiotika wirken nur bedingt

Die schleimige Matrix ist wie eine Festung gegen toxische Substanzen. Und genau das schützt Bakterien im Biofilm auch vor Antibiotika und dem Immunsystem. Mehr noch: Der Biofilm erschwert sogar den medizinischen Nachweis darüber, welches Bakterium eine Infektion verursacht. Abgesehen davon entwickelt man antibiotische Substanzen im Labor und testet ihre Wirksamkeit an Reinkulturen von Bakterien. An kultivierten Bakterienstämmen, die entweder frei im Nährmedium herumschweben oder im Wachstum sind und gerade Kolonien bilden. Diese bakteriellen Reinstämme sind zum Teil nicht einmal mehr in der Lage, sich an der Entstehung eines Biofilms zu beteiligen, weil die dafür nötigen Gene durch die Kultivierung nicht benötigt und darum abgeschaltet werden. Die Wirksamkeit von Antibiotika auf Biofilme ist daher in den allermeisten Fällen unklar.

Da in mehr als 60 % der bakteriellen Infektionskrankheiten Biofilme beteiligt sind, ist dies ein immenses Problem. Zu den biofilmassoziierten Infektionen gehören unter anderem die chronische Lyme-Borreliose, die bakterielle Endokarditis, viele Wundinfektionen, Karies und Parodontitis oder die chronische Mittelohrentzündung bei Kindern. Auch an Kathetern und Implantaten können sich Biofilme durch Bakterien bilden, weshalb Antibiotika und das Immunsystem bei diesen Infektionen oft machtlos sind und die Heilung von Implantaten von der künstlichen Hüfte bis zur künstlichen Herzklappe oft erschwert.

Die Bedeutung von Biofilm und Antibiotika am Beispiel Herzklappe

Nahezu jeder zweite in Deutschland trägt eine biofilmassoziierte Erkrankung im Mundraum – die durch Plaque ausgelöste Parodontitis bzw. ihre Vorläufer. Von hier aus können sich Bakterien aus dem Biofilm lösen und über die Blutbahn im gesamten Körper verbreiten. Beliebtes Reiseziel: die Herzklappen. Hier können sich die Bakterien festsetzen und einen neuen Biofilm bilden, was zu Schädigungen der Herzklappen führen kann. Im schlimmsten Fall kommt es zur Herzinsuffizienz (Herzschwäche). Die Herzklappen muss man dann ersetzen.

Damit der Biofilm sich dann nicht direkt auf dem Klappenersatz ausbreitet und diesen zerstört, müssen mit molekularbiologischen Verfahren die Bakterien genau identifiziert werden – denn nur der gezielte und passgenaue Einsatz von Antibiotika tötet übrig gebliebene Bakterien ab, eh sie einen neuen Film bilden, in dem sie wieder relativ sicher vor Antibiotika wären.

Was bedeutet dies für den Einsatz von Antibiotika?

Speziell für Implantate arbeiten Wissenschaft und Forschung an Methoden und Beschichtungen, um ein Wachstum von Biofilmen zu verhindern. Generell gilt jedoch: Wir wissen bislang zu wenig. Klar ist, dass Antibiotika die Bakterien in einem Biofilm nicht auf die gleiche Art und Weise angreifen können, wie freie Bakterien: Etwa 80 % der biofilmbedingten Infektionen sprechen nicht oder nur eingeschränkt auf Antibiotika an. Über die Auswirkungen von Antibiotika auf Biofilme ist im Detail bislang jedoch zu wenig bekannt. Was aufgrund der zunehmenden Antibiotikaresistenz und Resistenzverbreitung zusätzlich zum Problem werden könnte.

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